Veränderung in der Partnerschaft: Warum Liebe manchmal heißt, sich (mit) zu verändern und manchmal nicht.
Was ist hier eigentlich passiert?
Ich bin ein Sommermensch. Punkt.
Ich liebe Wärme auf der Haut, barfuß laufen, die Sonne im Gesicht. Das Gefühl bis in die Tiefen meines Körper durchwärmt zu sein. Alles unter 25 Grad? Fühlt sich für mich nach Winter an. Ja, ich schwitze. Ja, ich kriege unreinere Haut. Und trotzdem liebe ich es.
Als ich meinen Mann kennenlernte, war er das komplette Gegenteil: ein Wintermensch. Er mochte Kälte, dicke Pullover, Regenprasseln. Ich fand das damals unglaublich schräg und auch ein bisschen faszinierend.
Heute? Ist er auch ein Sommermensch. Wir können beide dem Winter seine guten Seiten abgewinnen, würden uns aber immer für den Sommer entscheiden.
Und aus diesen Gedanken entstand in meinem Kopf ein Rattenschwanz an Gedanken und Fragen:
Ob er sich verändert hat, weil ich die Hitze liebe? Weil mein System beim ersten Sonnenstrahl aufatmet?
Oder weil er selbst gemerkt hat, wie sehr ihm die Wärme gut tut? Ich weiß es nicht.
Und doch frage ich weiter:
Was ist hier eigentlich passiert?
Haben wir uns gegenseitig geprägt?
Oder hat einer von uns sich angepasst, um sich verbundener zu fühlen?
Wie wir uns in Partnerschaften verändern
In Partnerschaften passiert etwas Spannendes:
Wir sind nie mehr nur „ich“ und „du“.
Jetzt gibt es da diese weitere Komponente: das „wir“.
An diesem „Wir“ können wir wachsen oder auch eingehen.
Und am Anfang, so scheint es, ist das große Ziel eins zu werden. Alles ist neu, aufregend, wir stimmen uns aufeinander ein: Ich möchte dir gefallen, also passe ich mich an.
Wir übernehmen Vorlieben, Routinen und manchmal sogar Temperaturpräferenzen (Team Sommer)
Psycholog*innen nennen das Symbiose: Zwei Menschen verschmelzen.
Und das ist nicht immer schlecht. Es kann schön sein, für eine Weile in diesem „Wir“ zu baden. Und eine symbiotische Verbindung bringt beiden Beteiligten auch Vorteile.
Aber irgendwann stellt sich die Frage:
Was davon bin wirklich ich selbst?
Und was mache ich, weil es Verbindung schafft?
Und noch heikler:
Wie gelangt man wieder zu sich selbst ohne die Partnerperson vor den Kopf zu stoßen und (alte) Verletzungen herauf zu beschwören?
Angleichung vs. Selbstbestimmung
Wenn wir viel Zeit miteinander verbringen, beeinflussen wir uns automatisch. Das ist normal.
Das alles passiert nicht, weil wir uns selbst verlieren wollen, sondern weil es Nähe schafft. Angleichung ist ein Muster, das uns Sicherheit gibt.
Wir stimmen uns aufeinander ein. Wir merken uns, wie der andere seinen Kaffee trinkt, wir schauen Serien, die wir alleine vielleicht nie angeklickt hätten.
Und das kann schön sein und gehört vielleicht auch ein Stück weit einfach dazu. Es ist Teil von Liebe: „Ich sehe dich. Ich will dich verstehen. Ich will dir nah sein.“
Aber Angleichung hat eine Kehrseite: Wenn ich zu sehr im angeglichenen Wir-Modus bleibe, verliere ich mein „Ich“.
Ich sage nicht mehr, was ich wirklich will und ich spüre es irgendwann nicht einmal mehr.
Erst fühlt sich das an wie Harmonie: Wir mögen dasselbe, wir wollen dasselbe.
Doch mit der Zeit wird es eng. Eine Unzufriedenheit setzt ein, obwohl doch eigentlich alles gut ist.
Und was hat das mit Sex zu tun?
Auch im Schlafzimmer passiert genau das:
Wir passen uns an, um Verbindung zu halten.
Wir übernehmen Wünsche, die nicht unsere sind (und gehen über unsere Grenzen).
Wir sagen nicht, was wir wirklich wollen; aus Angst vor Ablehnung, aus Scham oder anderen Gründen.
Wie sich das konkret äußert, so individuell wie jeder Einzelne. Dass es passiert, zeigt die Praxis regelmäßig.
Prof. Dr. phil. Ulrich Clement hat dafür folgende Begriffe genutzt:
PartnerInnenbestimmte Sexualität: Ich mache Sex, wie meine Partnerperson ihn will; aus dem Wunsch nach Verbindung.
Selbstbestimmte Sexualität: Ich bringe mein echtes Begehren ins Spiel, auf die Gefahr hin, dass ich anecke.
Und trotzdem: Manchmal zeigt uns der Andere Türen, von denen wir gar nicht wussten, dass sie da sind.
Manchmal ist der Blick des Anderen das fehlende Puzzlestück, um zu erkennen: Das war schon immer in mir. Ich hab’s nur nie gesehen.
Aber dafür braucht es etwas:
Bereitschaft und Mut, aus vertrauten Bahnen auszubrechen.
Und gleichzeitig die Offenheit eventuelle Disharmonie auszuhalten.
Die Kunst der Balance
Meiner Meinung nach ist das einer der Schlüssel für Partnerschaften auf Augenhöhe:
Immer wieder zu prüfen, wo ich mich ent-wickle und wo ich mich verliere. Zu spüren, was meines ist und was ich übernommen habe. Nah zu sein, ohne mich aufzugeben. Sich im ersten Schritt bewusst darüber werden!
Und vielleicht ist Liebe manchmal genau das:
Den anderen prägen dürfen.
Mich prägen lassen.
Und dabei immer auch bei mir zu bleiben und mich neu zu entdecken.
So wie in diesem Beispiel mein Mann den Sommer für sich entdeckt hat.
0 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks